GIFT
Strahl einfach stärker, die Kerze ist beinahe abgebrannt
ich kenn dein Gesicht, auch dein Name war mir mal bekannt
Gedanken und Namen zu ordnen scheint mir hoffnungslos
in einem Brennglas werden sie alle scherbengross
Deine Haut ist so bleich, dein Make-up schimmert transparent
du kaufst deine Kleidung bei einem Trödler in der Rue Vivienne
dein Licht strahlt so dunkel, Logik findet nie den Ort
ein Perser streift um dein Bein und du sprichst nie ein Wort
An einem fremden Ort reden wir über ferne Zeit
und singen ein Loblied auf die Flüchtigkeit
der Blick deiner Augen höhlt mich aus wie Gift
wie ein Tropfen der immer dieselbe Stelle trifft
Ein Gramm Dynamit stört dein labiles Gleichgewicht
Noktambulisten scheuen helles Tageslicht
Nächte im Glaspalast, wer wirft den ersten Stein?
Ich möchte das Tor zum Vorhof deiner Hölle sein.
TRAMPOLIN AUS STICKSTOFF
Die Luft kippte um
doch ein Trampolin aus Stickstoff fing mich auf
der Sauerstoff war müde
schwere Atmosphäre im Schnellvorlauf
das Wasser kippte um
doch ein Netz aus kleinen Aalen fing mich auf
ich konnte nicht tief atmen
ein Schweinehund pfiff darauf
Hunde sprechen in 19 Sprachen 170 Dialekten
meine Stimme kippte um
eine elektronische Frequenz fing sie auf
im Regen unterm Fallschirm
die klammen Finger um den Knauf
giftige Kräuter
wachsen auf dem Landungssteg, darum fliege ich weiter
DER PARKUHRENFÜTTERER
Der Parkuhrenfütterer steht in der Sonne
er wartet dass die Scheibe überspringt
Tauben fliegen auf, ein Moped knattert
der offene Müllcontainer stinkt
Siegfried im Land der Parkometer
die Lorbeern - so hofft er - erntet er später
der Markenbefeuchter steht in der Schlange
ein Warten das schläfrig macht
"Was kostet ein Einschreibepäckchen nach Flandern?"
Einschreiben Schalter Nummer acht
Parsival im Land der Postgebühren
zu welchem heiligen Graal wird man ihn führen?
Die Kinderwagenschieberin schiebt ihre Brut
auf der Fahrbahn hin und her
im Atem der Verbrennungsmaschinen
im Flügelschlag der Killerbienen
ein metallener Stachel
eine Plastiktüte über dem Kopf
DER JUGENDKULT ALTERT NIE (STIRB JUNG BLEIB SCHÖN)
Stirb jung bleib schön lass nur das Beste hinter dir
Stirb jung bleib schön für Alte ist kein Platz mehr hier
Stirb jung bleib schön glaub der Kosmetikindustrie
Stirb jung bleib schön der Jugendkult altert nie
Die young stay pretty die young stay
Stirb jung bleib schön worauf wartest du, bist du bereit?
Stirb jung bleib schön tausch Senilität gegen Sicherheit
HERMAPHRODIT
Unweit der Wälder, auf einer kühlen Wiese schläft der Hermaphrodit
seine Schläfen brennen von einem Traum, seine Kiefer sind Granit
an der Schwelle seiner Jugend verwünscht er seine Tugend
sein Haar ist blond, seine Augen sind grau
die Arme eines Mannes, die Hüften einer Frau
Nach dem nächtlichen Gewitter tropft von den Blättern der Tau
in den Mäandern der Einsamkeit aphrodisische Nabelschau
an der Schwelle seiner Jugend verwünscht er seine Tugend
sein Haar ist blond, seine Augen sind grau
die Arme eines Mannes, die Hüften einer Frau
FRUHLING IN MUNICH
Es war Fruhling in Munich und die Kunstschule warf mich raus
und Eva unterm Kirschbaum sah so "rein und unschuldig" aus
es war Fruhling in Munich und ich war ein Genie
darum plante ich ein kleines Spiel mit der Massenhysterie
und ich malte die müde Republik auf dem Sterbebett
und ich tanzte vor den Arbeitslosen das Illusionenballett
es war Fruhling in Munich und ich war kein "Mann"
darum musste ich kompensieren mit dem Propagandaplan
BERÜHRE MICH NICHT
Berühre mich nicht, schau mir nicht ins Gesicht
Fessle mich mit Stricken, peitsche meinen Rücken
Schnüre das Geschlecht, nimm den Stiefelknecht
Dehne meine Haut, tu wovor dir graut
Erhöhe das Gewicht aber lächle nicht
Kalte Göttin der Lust, schmied Stahl um meine Brust
Stumm bin ich und nackt, gefangen im Kontrakt
Ich trink aus deinem Schuh, ich liebe den Fetisch
Mein Sehnen nach dir ist rein und asketisch
Komm her und sperr mich ein, dein Sklave will ich sein.
Feminae venales, sancta mea mater
Careo memoria, abest meus pater
Victimae modo suppliciis loquuntur
Paedagogii more carnificum coarguntur